Werkbeschreibung Installation 2010/1
Stephan Reisner 2010 Berlin
Wer tafelt, der speist. Das Wort „Tafel“ aber ist zweideutig. Denn, wer vor einer Kreidetafel steht, der bildet per Vorstellungskraft etwas Gedankliches aus einer ebenen Fläche heraus. An Tischen und Tafeln, so lässt sich zusammenfassen, herrscht ein eigenwilliges Verhältnis von Geben und Nehmen, Einverleiben und Veräußerung. Insbesondere das Thema Materialität und Sichtbarkeit, Kunst und Kultur reflektiert die Tisch-Installation „2010/1“ von Christoph Damm.
Dieser Tisch nimmt an und bietet dar, er stellt aus und behält gleichzeitig ein. Ein Tisch, dessen Oberfläche sich je nach Licht und Tageszeit in eine spiegelglatte Projektionsfläche verwandelt oder aber in eine plastisch hervortretende Leuchttafel mit zwölf identischen Gedecken. Ein Tisch der Verkehrungen; je stärker das umgebende Licht im Raum gedämpft wird, desto eindringlicher die Wirkung. Die Teller vertiefen sich wundersam, das einförmige Besteck scheint zum Greifen nah. Aber Achtung: Dieser Tisch stammt aus Platons Höhle!
Der Betrachter speist an ihm durch Wahrnehmung und Vorstellungskraft. Da sind Licht und Schatten, Plastik und Geräusche, abstrakt grüner Wackelpudding und reine unsichtbare Luft. Man stellt sich vielleicht die Frage, weshalb die Stühle fehlen? Und wieso stehen die Gedecke so eng? Nicht einmal Kinder fänden ausreichend Platz an diesem Tisch. Denn für Kinder scheint der Tisch viel zu hoch.
Im Märchen deckt sich der Tisch von allein. Sicherlich muss man die entsprechende Zauberformel kennen. Im Augenblick größter Erwartung nützt einem jedoch keine Formel der Welt, wenn der eine mit dem anderen Tisch heimlich ausgetauscht wurde. Alle werden lachen, weil nichts geschieht auf den Satz hin: „Tischlein deck dich!“ Keine köstlichen Speisen werden erscheinen, kein rubinroter Wein! Das gemeinsame Abendessen wird wohl ausfallen, es sei denn, es geschieht ein Wunder.
Das Wundersame an diesem Tisch ist, dass die kleinste Veränderung bereits Erstaunliches bewirkt. Ein anderes Licht, ein anderer Blickwinkel, ein anderer Klang - und schon deckt der Tisch neue Bedeutungen auf und andere wieder ab. Das Weiße indes nimmt alle Färbungen der Umgebung auf. Der Tisch lädt zu zarten, frischen, deftigen und leichten Erwägungen ein, er serviert je nach Belieben einen dritten, vierten oder fünften Gedankengang, bis zum köstlichen Dessert der süßen Unvernunft.